Wandern ohne App ist mittlerweile wie ein Sommer ohne Bücher: undenkbar für uns haptischen, medienkritischen Hühner.
Eine echte Bereicherung für uns ist deshalb das in diesem Urlaub entdeckte Buch „Postdigital: Medienkritik im 21. Jahrhundert“ vom Musiker und promovierten Philosophen Peter Schmitt. Der kritische Essay beschreibt auf 175 Seiten die neue Normalität. Schmitt reflektiert massenhaft über Bildschirme gesenkte Köpfe, den gestrigen Begriff des Privatlebens und den neuen Aufmerksamkeitskapitalismus. Er schreibt über das pausenlose gegenseitige Zurschaustellen, Beobachten und Bewerten, dass gar nichts ungefilmt, unfotografiert und unkommentiert bleibt und über »Fear of missing out«. Schmitt geht auch auf die mediale Gleichschaltung durch die vom Google-Algorithmus bestimmte Nachrichtenauswahl ein und erläutert seine Sicht als Musiker über klangkomprimierte Musik für gleichgültige Hörer*innen und die damit einhergehende Verminderung der Hörfähigkeit. Dabei geht es dem Autor nicht um die Verteufelung der Technik oder eine ängstliche Schutzhaltung. Sein Buch zielt auf eine angemessene Auseinandersetzung mit der digitalen Revolution ab. Er plädiert für eine zeitgemäße Medienkritik, die den Blick für die Situation schärft, in die sich unsere Gesellschaft zunehmend und unreflektiert hineinmanövriert, seit der Begriff „postdigital“ Anfang 2000 aufkam. Der Begriff sollte den Zustand beschreiben, als Digitalisierung ein selbstverständlicher Teil des Alltagslebens geworden war. Ein vermeintlich dünnes Buch mit einer geballten und wortgewaltigen Bestandsaufnahme unserer Mediengesellschaft. Empfohlen auch für Nichtphilosoph*innen!
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