Denken – ein starkes Verb

In einem Anfänger*innen-Deutschkurs, bei dem ich hospitieren darf, wird das Verb „denken“ konjugiert. Es ist ein unregelmäßiges Verb. Das zeigt sich insbesondere im Präteritum „dachte“ und im Partizip „gedacht“, die stark vom Stamm „denk“ abweichen – wie Gedanken, die sich ihrer Routinen entziehen. „Denken“ wird aus eben diesen Gründen auch als ein starkes Verb bezeichnet. Und abseits des Grammatikphänomens kreisen in der Reflexion nun auch unsere Gedanken. „Wie passend und alarmierend zugleich“, denken wir. Wir Menschen scrollen, nicken, applaudieren und kommentieren. Scheinbar völlig automatisiert. Wir nennen es freie Meinungsäußerung. Doch denken wir (zuvor)? Echtes Denken, also sich Zeit nehmen zum Innehalten, Reflektieren und Hinterfragen, scheint im digitalen Zeitalter zum kostspieligen Luxusgut geworden, dass sich kaum jemand leisten möchte. Dabei ist Denken eine echte Rebellion, nicht nur grammatisch. Gegen die Bequemlichkeit und den Nebel der Alltagsgedanken. In Deutschkursen wird „denken“ übrigens zumeist in den ersten Stunden gebeugt. Essentiell, wie wir finden. Weil Denken verbindet, wo Meinungen trennen.

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Von | 2025-11-17T14:07:43+00:00 17. November 2025|Tags: , , |